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Testrunde: wie sich günstige tubeless‑reifen im schlamm schlagen

Testrunde: wie sich günstige tubeless‑reifen im schlamm schlagen

Schlamm fressen oder schlammscheu: das war die Frage, die ich mir gestellt habe, als ich eine Reihe deutlich günstigerer Tubeless‑Reifen für Gravel und Mountainbike in die Testbahn geschickt habe. Viele Hersteller versprechen Grip und Zuverlässigkeit, doch wie schlägt sich die preiswerte Konkurrenz, wenn die Strecke in eine braune, klebrige Brühe verwandelt wird? Ich habe Reifen zwischen ~30 und 60 Euro pro Stück unter realen Bedingungen geprüft — auf Waldtrails, nach Regenfällen und bei teils tiefem, schwerem Lehm. Hier teile ich meine Eindrücke, Messergebnisse und praxisnahe Tipps.

Testaufbau und Kriterien

Mir war wichtig, unter reproduzierbaren Bedingungen zu testen. Deshalb habe ich folgende Standardpunkte definiert:

  • Reifenmodelle: drei günstige Tubeless‑Varianten (Markenmix) gegen zwei Referenzreifen aus dem mittleren Preissegment.
  • Räder & Setup: Gravel‑Laufräder (innerer Felgenbreite 25–30 mm) und ein Mountainbike‑Laufradsatz (30 mm innen). Tubeless‑taugliche Felgen, gleiche Felgenbänder und 60 ml/100 ml Dichtmittel je Reifen, je nach Volumen.
  • Drücke: abgestuft getestet: 1,8 / 1,5 / 1,2 bar (MTB) und 2,5 / 2,0 / 1,6 bar (Gravel), um Einfluss auf Traktion und Durchschlagschutz zu sehen.
  • Messwerte & Praxis: Dichtleistung (Sofort‑Dichtigkeit, längere Dichtigkeit), Grip in Kurven, Bremsverhalten im Slush, Rollwiderstand geschätzt, Gewichts- und Verschleißbeobachtungen.

Wichtigste Erkenntnisse vorweg

Kurz zusammengefasst: günstige Tubeless‑Reifen können im Schlamm funktionieren – aber mit Einschränkungen. Die größten Unterschiede liegen in:

  • Profilgestaltung: Grip kommt mehr von Kantenschärfe und Abstand der Stollen als von reiner Stollenhöhe.
  • Karkasse & Pannenschutz: günstige Karkassen sind dünner, daher höheres Risiko von Seitenwanddurchschlägen und Umklappen bei sehr niedrigem Druck.
  • Dichtmittel-Kompatibilität: Manche Billig‑Gummis nehmen das Dichtmittel besser auf, andere bleiben porös — das beeinflusst die Selbstabdichtung deutlich.

Grip und Handling

Auf nassem Wurzelwerk und tiefem Lehm hat sich gezeigt: Reifen mit enger stehenden, etwas schrägen Seitenstollen bieten überraschend guten Halt. Einige günstige Modelle hatten ein aggressives Mittelprofil, das im Schlamm jedoch schnell zusetze und dadurch an Traktion verlor.

Ein Erlebnis: Auf einer Abfahrt bei feuchtem Waldboden merkte ich sofort, wie ein günstiger Gravelreifen bei 1,6 bar sehr wohl Grip hatte, aber sobald die Kurve enger wurde, fühlte sich die Kante weicher an — ein leichtes Rutschen, das ich durch vermehrten Körper‑ und Blickeinsatz ausgleichen musste. Die teureren Referenzen blieben definierter in der Kante; das gibt mehr Vertrauen in Grenzsituationen.

Dichtleistung und Pannenschutz

Hier trennen sich die Spreu vom Weizen. Zwei günstige Modelle dichteten kleinere Einstiche (< 3 mm) zuverlässig ab — nach initialem Pumpen und etwas Fahren war die Fahrschicht wieder sauber. Einer der Billigreifen zeigte jedoch eine schlechte Selbstabdichtung bei Seitenwandschnitten, das Dichtmittel lief aus und die Reifen mussten vorsorglich aufgepumpt werden.

Praktischer Tipp: Wenn du günstige Tubeless‑Reifen kaufst, nimm vor der ersten Ausfahrt mindestens 60–80 ml hochwertiges Dichtmittel pro Reifen (bei MTB tendenziell mehr). Schütze die Seitenwände zusätzlich in kritischem Gelände mit einem Vollgummi‑Insert oder zumindest einer gröberen Fahrweise.

Rollwiderstand und Verschleiß

Im Schlamm verliert Rollwiderstand an Relevanz, dennoch fiel auf: teurere Mischungen rollen oft leichter, weil die Gummimischung weicher aber zäher ist. Günstige Reifen neigen bei Kälte zu höherem Rollwiderstand und zeigten schneller sichtbare Abriebspuren an den Seitenstollen nach wiederholtem Einsatz auf steinigen Trails.

Bei langen, schlammigen Etappen war das Blockieren des Profils durch Lehm ein Faktor — Reifen mit breiteren Abständen zwischen den Stollen reinigten sich besser.

Pflege, Reinigung und Handling nach dem Einsatz

Ein Punkt, den viele unterschätzen: günstige Reifen können Schlamm stärker aufnehmen und im Inneren belassen, was das Dichtmittel schneller verunreinigt. Nach jeder sehr schlammigen Tour habe ich:

  • Die Reifen mit klarem Wasser ausgespült, ohne Hochdruck, um Dichtmittel nicht unnötig zu verflüssigen.
  • Den Felgenrand und Ventilsitz gereinigt und neues Dichtmittel ergänzt, wenn sich die Konsistenz verändert hat.
  • Auf Beschädigungen an Seitenwand und Karkasse geprüft — kleine Risse sind bei günstigeren Modellen häufiger.

Tabelle: Kurzübersicht meiner getesteten Reifen

ReifenTypGrip (Schlamm)DichtleistungBemerkung
Budget AGravel 40–50mmGut (bei 1,6–2,0 bar)Befriedigend (kleine Einstiche ok)Schnellt zusetzendes Mittelprofil
Budget BMTB 2.2"Sehr gut (seitliche Kanten)Schwach (seitliche Schnitte problematisch)Leichte Seitenwandanfälligkeit
Budget CGravel 38mmMäßig (bei tieferem Lehm instabil)GutGutes Selbstreinigungsverhalten
Referenz XGravel 40mmSehr gutSehr gutStabile Karkasse, hoher Komfort
Referenz YMTB 2.25"Sehr gutSehr gutRobuste Seitenwand

Praxisnahe Empfehlungen

  • Wähle Profil passend zum Schlammtyp: feiner, klebriger Lehm braucht enger stehende, scharfkantige Seitenstollen; schwerer, schlammiger Lehm profitiert von Abstand zwischen den Stollen, damit er sich leichter auswirft.
  • Druckempfehlung: Einen Kompromiss finden: zu niedriger Druck erhöht Pannengefahr bei dünner Karkasse, zu hoher Druck reduziert Grip. Starte 0,2–0,3 bar unter deinem normalen Setting und taste dich vor allem an engen Kurven heran.
  • Immer ausreichend Dichtmittel: Mehr hilft bei günstigen Reifen – ich nutze 60–100 ml bei Gravel, 100–150 ml bei MTB, je nach Volumen.
  • Fenster zur Sicherheit: Wenn du sehr anspruchsvolle, felsdurchsetzte Schlammtrails fährst, investiere in Robuste Seitenwand‑Reifen oder Schaum‑Insert.

Persönliches Fazit aus der Testserie

Ich fahre gerne experimentell und schätze das Preis‑Leistungs‑Verhältnis günstiger Tubeless‑Reifen — sie ermöglichen vielen Fahrern, tubeless zu erleben, ohne das Budget zu sprengen. Trotzdem: im direkten Vergleich zeigen sich Grenzen. Wenn du regelmäßig im tiefen Schlamm unterwegs bist oder aufs letzte Quäntchen Sicherheit bei Rennen angewiesen bist, würde ich zu einer stabileren Karkasse und einem Reifen mit bewährter Dichtungsperformance raten.

Wenn du möchtest, kann ich in einem Folgeartikel einzelne Modelle namentlich vergleichen, inklusive Laufleistung nach 500 km, detaillierten Fotos von Schäden und einer Schritt‑für‑Schritt‑Anleitung zum perfekten Tubeless‑Setup im Gelände. Schick mir gern deine Fragen oder welche Modelle dich interessieren — ich teste weiter, damit du auf nassen Trails nicht überrascht wirst.

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